Heimkehr – nach einer mehr als beachtlichen Reise

Von Jörg Schneidereit.

Einmal Mond und zurück, in fünfundzwanzig Tagen. Ein kleines, neues, noch nie erprobtes Raumschiff, gebaut für den zukünftigen Flug von Menschen, hat seine Feuerprobe bestanden.

Ein reibungsloser Start mit der leistungsstärksten Rakete dieser Welt; zwei beeindruckend elegante und präzise Slingshot-Manöver um unseren lunaren Begleiter – einem kosmischen Tanz gleich, an dem Kepler und Newton ihre wahre Freude gehabt hätten; schließlich die punktgenaue Rückkehr von der kleinen, staubgrauen zur großen, blauweißen Kugel. „Die gesamte Leistung von Artemis 1 war von Start bis Landung phänomenal und übertraf all unsere Erwartungen”, so äußerte sich gerade Nujoud Merancy, Chef des Missionsplanungsbüros der NASA. 

Eine Feuerprobe war es im Finale in der Tat: Bei 40.000 km/h (dies entspricht der 32-fachen Schallgeschwindigkeit), der bisher höchsten, je gewagten Wiedereintrittsgeschwindigkeit eines von Menschenhand gebauten Raumflugkörpers in die Erdatmosphäre, wirkten für mehrere Minuten unbarmherzige 2.800℃ auf den Hitzeschild von Artemis 1 ein, der die kleine Kapsel vor dem Verglühen bewahrte. 

Als sich schließlich die drei Hauptfallschirme öffneten und die „Orion”-Kapsel kurz darauf sanft auf den Pazifikwellen niederging, sah man Freudentränen auf den Gesichtern von hunderten an dieser Mission beteiligten Mitstreiter, die mehr als ein Jahrzehnt lang auf diese dreieinhalb Wochen hingearbeitet haben. All jene, die Wissenschaftlern, Forschern und Entdeckern stets und gern kalte Ratio und Seelenlosigkeit unterstellen, sollten heute einmal in die Augen dieser Menschen schauen. Heute stehen alle Probleme, Schwierigkeiten und Verzögerungen dieses ambitionierten Projekts im Schatten eines verdienten und vollständigen Erfolges der nun vollendeten Erprobungsmission.

Ein neuer Schritt im noch immer jungen Raumfahrtzeitalter wurde getan – und zwar auf den Tag genau 50 Jahre später, nachdem am 11. Dezember 1972 die Landefähre von Apollo 17, der letzten bemannten Mondmission, mit den Astronauten Eugene Cernan und Harrison Schmitt im „Taurus-Littrow Tal” auf dem Mond aufgesetzt hatte. Welch eine inspirierende Koinzidenz. 

Nun gehen wir weitere Schritte einer gerade begonnenen Reise. Reisen bildet bekanntlich – dies gilt im Kleinen wie im Großen. Auch wenn viele zu Hause bleiben müssen oder wollen, so lauschen sie schließlich dennoch fasziniert den Geschichten der Zurückgekehrten, der Mutigen. 

„Der Kosmos ist wie ein Magnet“

„Ich hatte den Ehrgeiz, nicht nur weiter zu gehen als irgendjemand zuvor, sondern so weit, wie es für einen Menschen möglich war.” Das schrieb Kapitän James Cook, der Entdecker Ozeaniens, im 18. Jahrhundert. Nahezu exakt zwei Jahrhunderte später sagte der russische Kosmonaut Yuri Romanenko bei seiner Rückkehr zur Erde nach dem damals längsten Weltraumflug der Geschichte: „Der Kosmos ist wie ein Magnet. Sobald man dort draußen war, denkt man nur noch daran, wie man dorthin zurückkommt.” 

Der von mir seit Jugendtagen verehrte Astronom, Exobiologe, Philosoph und Lehrer Prof. Carl Sagan verstand es, neben den unermesslichen Wundern des Kosmos auch unsere zutiefst menschliche Neugier in äußerst stimmige Worte zu fassen: 

„Wir kennen den Mond von unseren frühesten Tagen an. Er war schon da, als unsere Vorfahren von den Bäumen in die Savanne hinabstiegen; als wir lernten, aufrecht zu gehen; als wir zum ersten Mal Steinwerkzeuge entwickelten; als wir das Feuer domestizierten; als wir die Landwirtschaft erfanden, Städte bauten und als wir uns aufmachten, die Erde zu erkunden.

Uns quält ein ewiges Verlangen nach fernen Dingen. Wir Menschen lieben es seit jeher, verbotene Meere zu befahren. Trotz aller materiellen Vorteile hat uns das seßhafte Leben nervös und unerfüllt zurückgelassen. Auch nach 400 Generationen in Siedlungen, Dörfern und Städten haben wir es nicht vergessen. Die offene Straße ruft noch immer leise, wie ein fast vergessenes Kinderlied. Wir verleihen fernen Orten eine gewisse Romantik. Ich vermute, dieser Reiz wurde von der natürlichen Auslese akribisch als ein wesentliches Element für unser Überleben geschaffen. Lange Sommer, milde Winter, reiche Ernten, reichlich Wild – nichts davon hält ewig. Es liegt außerhalb unserer Macht, die Zukunft vorherzusagen. Katastrophen können sich an uns heranschleichen, uns unvorbereitet treffen. Unser eigenes Leben, ja, sogar das unserer Spezies könnte einigen wenigen Ruhelosen zu verdanken sein, die von einem Verlangen, das sie selbst kaum artikulieren oder verstehen konnten, in noch unentdeckte Länder und neue Welten gezogen wurden.” 

Heute ist ein kleines Schiff von den Horizonten einer noch nahezu unentdeckten Welt an unsere blauen, heimischen Ufer zurückgekehrt – unbemannt und ferngelenkt. Bei seiner nächsten Reise in anderthalb Jahren wird es von vier Menschen gesteuert, die ihm zehn Tage lang ihr Leben anvertrauen, auf ihrer Reise um den Mond und wieder zurück nach Hause. 

Die Apollo-Ära ist bereits ein Stück Menschheitsgeschichte. Sie hat den Weg bereitet für die Artemis-Generation, der wir heute angehören. Artemis und Apollo waren mythologische Zwillingsgeschwister. Als Göttin der Jagd und des Mondes; sowie als Gott der Weisheit und des Lichtes sind ihre Namen, wenngleich symbolisch, dennoch mit Bedacht gewählt – bei unserem Aufbruch zum Mond und letztlich in den Kosmos. Möge dieser Aufbruch, diese Reise sowohl unseren kosmischen Blick schärfen und erweitern, als auch unsere Erkenntnis darüber, wer wir als menschliche Spezies sind und welchen Weg wir, erstrebenswerterweise jenseits von Ideologie, Aberglaube, kleinlichem Gezänk und Ignoranz, bereit und in der Lage sind, in Zukunft zu beschreiten. 

Mögen wir unsere Neugier nie verlieren. Das hoffe ich inständig.

Foto: NASA/David C. Bowman via Wikimedia Commons

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Wolfgang Richter / 12.12.2022

@ Christoph Schriever - “Der Mond ist 380.000km entfernt.” Wird auch Zeit, daß endlich Anstrengungen unternommen werden, bei Bärgeissens 100 - Tausende Kilometer entfernten Nachbarn das Klima zu schützen. Ich schlage sie deshalb für den Premierenflug vor.

Michael Palusch / 12.12.2022

50 Jahre (!) nach den erfolgreichen Mondmissionen ist es endlich wieder gelungen. 50 Jahre, nachdem Raumfahrzeuge mit der Rechenpower die heute vom billigsten aller Smartphones mehrfach übertroffen wird, Astronauten zum Mond und wieder zurück beförderte, ist man endlich wieder in der Lage, Raketen zum Mond zu schicken. Halleluja!

Silas Loy / 12.12.2022

Wenn man bedenkt, dass wirklich Mutige vor 50 Jahren mitgeflogen und auf dem Mond gelandet und ausgestiegen sind, bevor sie in ihrer glühenden Kapsel mit den berühmten drei Fallschirmen wieder auf der Erde wasserten und von Marineschiffen aufgegabelt wurden, wo ist da die Neuigkeit? Inwischen gab es sogar wiederverwendbare Raumgleiter, die sich aber irgendwie als nicht so tauglich heraustellten. Und was macht denn eigentlich die französische ESA mit ihren deutschen Helferlein nach der Ballon-Boing-Boing-Bruchlandung auf dem Mars, nur noch Satellittchen hochschiessen?

Ludwig Luhmann / 12.12.2022

@ sybille eden / 12.12.2022 - “Ich werde nie verstehen, was wir in diesem tödlichem All zu suchen haben.”—- Wir Männer stechen eben gerne in See ... ...

Christoph Schriever / 12.12.2022

Der Mond ist 380.000km entfernt. Am 13ten September stürzte eine „Blue Origin“ (Rakete von Jeff Bezos) bei ihrem unbemannten Start ins All ab. Das war die 23te Mission des „New Shepard Programms“. Das Raketensystem „New Shepard“ fliegt weitgehend automatisiert. Die während des Fluges von der Rakete abgetrennte Kapsel erreicht - wenn alles klappt- eine Höhe von rund 100 Kilometern über der Erde, bevor das wiederverwendbare Objekt abgebremst von große Fallschirmen wieder aufsetzt. 100 Kilometer! Jeff Bezos, mit seinen Vermögen von 125Milliarden Dollar schafft nur lächerliche 100 Kilometer, während die NASA mit 24 Milliarden Budget 380.000 Kilometer hin und zurück schafft! Also mit 4 mal sowenig Geld 3.800 mal soweit. Also ist die NASA 15.200 mal effektiver als Bezos! Elon Musks „Starship“ ist mit einer Höhe von 120 Metern 20 Meter größer als die NASA-Rakete. Auch Musk will damit zum Mond, hat das aber noch nicht geschafft. Seine mit Starship-Raketen in All beförderte Satelliten kreisen auf rund 550 Kilometern über der Erdoberfläche. Bis zum Mond sind es von dort aus nur noch 379.500 Kilometer! „Langer Marsch 5“, eine chinesische Rakete schaffte es im November 2020 zum Mond und zurück und brachte sogar Gesteinsproben dort mit. Allerdings war sie nur auf der Rückseite des Mondes. Pech für die vielen Hobbyastronomen, denn auf der von der Erde aus sichtbaren Seite hätte man die Sonde sehen können - mit den heutigen, modernen Teleskopen. Etwas das man mit den Teleskopen zu Zeiten der Apollo-Missionen noch nicht konnte. Darum landeten die Apollos damals auf der Erde zugewandten Seite des Mondes. Damals war Funkkontakt mit Bild und Ton schon in den Sechzigern besser als heute zwischen Telgte und Ostbevern im Regionalzug nur für Ton. 380.000 Kilometer ins All und zurück waren damals Funktechnisch leichter zu überwinden als heute 5 Kilometer ohne Sendemast. Mögen wir unsere Neugier nie verlieren und all die Superlativen und mediale Orgasmen realistisch hinterfragen.

F.Bothmann / 12.12.2022

Lieber Her Schneiderei! Nach heutigen kruden Maßstäben müsste der zweite Textabsatz mit den Fakten zu Geschwindigkeit und Eintrittstemperatur erstmal zum Faktenchecker weil das klingt so irrwitzig geschwurbelt. Und außerdem 10 Jahre an einem Projekt arbeiten, das erfolgreich abgeschlossen wurde, ist in Zeiten von Endzeithysterie und Aktionismus irgendwie komisch. - Danke für das Teilen ihrer Begeisterung!

Thomas Holzer Österreich / 12.12.2022

Man möge auch bedenken, daß die Kapsel in nahezu letzter Minute noch umgelenkt wurde!

Emmanuel Precht / 12.12.2022

Im Kleinen habe ich dieses Gefühl verspürt als ich das erste Mal die “MS Wasserfels”, beim Antritt meiner Ausbildung zum Matrosen, in Genua an der Peer liegen sah. Was ein gewaltiges neues zu Hause, das am nächsten Tag in Richtung USA in See stach. Wohlan…

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen

Es wurden keine verwandten Themen gefunden.

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com